Viola4You

 

Mit echtem Bratschisten-Humor

Das Bratschen-Quartett „Viola4You“ hat im Schloss Eulenbroich ein Programm jenseits der Grenzen der E-Musik gespielt. Und zeigte, dass das Instrument deutlich mehr kann, als Füllstimme im Orchester zu sein.

 RÖSRATH.  Zu einer musikalischen Reise mit Bratschen hatte die Reihe Rösrath-Klassik ins Schloss Eulenbroich eingeladen. Vier Solisten - Christian Fischer, Thomas Plümacher und Martin Wandel vom Beethoven Orchester Bonn sowie Kai Stowasser vom Kölner Rundfunk- Sinfonie-Orchester - bekunden schon mit ihrem Ensemble-Namen „Viola4You“ die Verbindung verschiedener Zeiten und Räume in nicht ganz ernster Weise. Sie gestalteten die Reise, die mit Werken englischer Komponisten aus der Shakespeare-Zeit begann. Kurze Madrigale von William Byrd und seinem Schüler Thomas Morley zeigten, wie gut vier Streicher einen vierstimmigen Chorgesang wiedergeben können. Dabei erstaunte die Lautstärke der Instrumente, bei der die tiefen Töne gegen die überhöhte Dominanz der hohen untergingen. Das galt auch für die fast 200 Jahre jüngere Doppelfuge von Luigi Cherubini. Die Musiker spielten sie spannend und aufregend, aber man musste sich an die Klangfarben erst gewöhnen. Einen Ersatz für das Streichquartett konnten sie nicht leisten.

 Die original für vier Bratschen verfassten „Frammenti“ des Kölner Musik- Professors Eduard Pütz hatten dieses Problem nicht. Das Werk verband gekonnt alte mit neuer Musik, indem es mystische Klangräume neben Tango- und Walzerrhythmen stellte. Dieses Nebeneinander von unterschiedlichen Stimmungen vertiefte die - ebenfalls original für vier Bratschen verfasste - Fantasie von York Browen, die mit viel Beifall aufgenommen wurde. In der zweiten Hälfte ging es noch weiter ins Showgeschäft. Von John Philip Sousa erklang die heimliche Nationalhymne der USA, der „Liberty Bell March“. Dabei vermisste man wegen des temperamentvollen Spiels der Streicher die Bläser nicht.

 Danach erinnerten die Musiker an die vielen Bratschisten-Witze: „Wagner, so viel wie es ein Durchschnittsbratscher verträgt“ versprach Wolfgang Hinzpeter, der dazu den „Ring des Nibelungen“ und den „Fliegenden Holländer“ umgeschrieben hatte. Viel Wagner mutet er den Bratschisten nicht zu. Dessen wenige Themen glitten immer wieder in Wiener Kaffeehausmusik oder in die „Liebe der Matrosen“ ab. Das amüsierte das Publikum genauso wie Paul Hindemiths Sonata für Viola solo op.25 / 1, die fast nahtlos in „Kashmir“ von Led Zeppelin überging. Mit der elektronischen Bratsche und rockmusikalischen Verrenkungen degradierte Kai Stowasser seine Kollegen zu Statisten.

 Noch mehr Schauspielerei und musikalische Virtuosität forderte die „Sonata for Viola four Hands“, geschrieben von dem Amerikaner Peter Schickele unter dem Pseudonym des erdachten Bach-Sohnes P.D.Q. Bach. Zwei Musiker spielten gleichzeitig auf demselben Instrument, teils mit Atemschutz und Sicherheitshelm, teils mit der Bogensäge. Zwei andere gaben den Background. Auch das Publikum konnte mitspielen. Den darauf folgenden Beifall erwiderten die Musiker mit zwei Zugaben: „I Can't Give You Anything But Love“ und „Brazil“.

 Die Klassik-Grenzen hat diese Veranstaltung sicherlich gesprengt, aber sie zeigte, dass das Potenzial der Bratsche über die Ausführung von harmonischen Füllstimmen im Orchester deutlich hinausgeht.

Kölner Stadtanzeiger, 8.6.2009